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Laura Becker - Künstlerin/Kulturmanagerin - Transformation - 2025
Wer sich schon mal ohne konkreten Plan auf eine Reisebegeben hat, weiß, dass es in jedem Moment unzählige Möglichkeiten gibt, die den Verlauf der weiteren Reise und auch das Ziel komplett verändern können. Mal scheint der Weg rechts an der Gabelung der richtige zu sein, mal fühlt es sich so an, als warte auf dem linken Pfad eine neue, unbekannte, spannende Welt, die es zu entdecken gilt. Durch die Reise selbst scheint sich das Ziel allmählich zu formen, und am Ende wartet ein Gesamtbild aus vielen bunten Erlebnissen, Entdeckungen, Irrwegen und Schätzen.
Nun stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs auf einer solchen Reise und können immer wieder – beliebig oft – zurückspringen. An jeder Gabelung doch noch mal den anderen Weg wählen. Sollte sich dieser schlussendlich wieder nicht als der richtige herausstellen, so können Sie wieder – und wieder – zurück an jeden beliebigen Punkt auf der Reise, um sich noch mal anders zu entscheiden, bis das Gesamtbild rund ist. Klingt nach maximaler Gestaltungsfreiheit der Realität? Das ist es.
Ungefähr so können wir uns die Arbeitspraxis von Damaris Wurster vorstellen. Ihre bunten Kompositionen zeigen uns neue Welten, die abstrakt sowie vielschichtig sind. Die Farbigkeit fasziniert und erinnert zum Teil an digitale Standbilder aus den Anfängen des Fernsehens oder an ein Kaleidoskop. Was genau wir dort sehen und welche Sehnsüchte in uns geweckt werden, ist durch zurückhaltende Titel wie Forest oder Ocean in eine Richtung gebettet. Sind wir am Ziel angekommen? Ja. An Orten, die Damaris Wurster selbst auf einer künstlerischen Reise ohne konkretes Ziel erforscht und nun, ja, erschaffen hat. Irgendwo zwischen Dystopie und Utopie sind wir gelandet. An Orten voller Sehnsucht und Möglichkeiten, die das Weltliche übersteigen und daran erinnern, dass wir selbst durch unsere Wahrnehmung und Fantasie die Realität um uns herum erschaffen.
Springen wir aber noch mal zurück zum Start der Reise: Damaris Wurster findet die Anfänge ihrer künstlerischen Praxis in der Dokumentarfotografie. Angetrieben von dem starken Wunsch, etwas Unbekanntes zu entdecken, probiert sie sich durch verschiedene experimentelle Arten der Fotografie wie die Cyanotypie oder die Arbeit mit einer Lochkamera. Es schien alles nicht ganz stimmig und nicht ihr Weg zu sein. Ihre künstlerische Praxis wurde experimenteller – wagemutiger. Damaris Wurster fing an, die Grenzen der Fotografie auszureizen und das Medium selbst zu hinterfragen. Eine wichtige Gabelung auf der Reise, die nun erst richtig beginnen sollte. Die Veränderbarkeit des analogen Materials wurde von ihr erforscht, bis am Ende einzig der Filmstreifen übrig blieb. Konfrontiert mit seiner Fragilität, vergrub sie ihn in der Erde. Der Zersetzungsprozess, der darauf folgte, faszinierte die Künstlerin und stellte die Weichen für eine neue kreative Richtung.
Mittlerweile experimentiert Damaris Wurster nicht mehr ausschließlich mit analogem Filmmaterial. Ein zentraler Aspekt ihrer aktuellen künstlerischen Arbeit ist der Umgang mit digitalen Zersetzungspro-zessen. Online gefundene Bilder und digitale Reisen bilden dabei die Grundlage ihrer Forschung. Durch zahlreiche digitale Kopiervorgänge wie Abfilmen, Fotografieren oder Zuschneiden werden die ursprünglich abgebildeten Szenarien immer weiter verändert und schließlich von ihr bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet. Was zu Beginn noch klar zu erkennen war, wird nach und nach zu Farbabstufungen, zu Pixelfeldern. Damaris Wurster beschreibt diesen Prozess wie das Komponieren einer abstrakten Malerei, bei der einzig sie als Künstlerin die Wahl
hat, wann die Szene vollendet ist. Der entscheidende Unterschied: Es gibt immer die Möglichkeit, einzelne Bearbeitungsschritte wieder rückgängig zu machen. Die Bilder, die dabei entstehen, sind bunt und erinnern an Science-Fiction. Sie bilden Orte ab, an denen ich noch nicht war – und Sie wahrscheinlich auch nicht.
Damaris nutzt außerdem aktuell Künstliche Intelligenz, um Collagen aus NASA-Bildern zu erstellen, die sie durch verschiedene Programme im künstlerischen Dialog bearbeitet. Diese Arbeitsweise können wir uns ähnlich vorstellen wie das „Vor- und Zurückspringen auf dem Weg“, das zu Beginn beschrieben wurde. Sie selbst entscheidet, an welchem Punkt das Bild wie weiterbearbeitet wird. Wie das Ergebnis aussieht, entscheidet die KI. Diese dialogischen Experimente werden über viele Zyklen von der Künstlerin „ad absurdum“ getrieben und münden in neuen Bildwelten, die sie immer wieder neu interpretiert. Ihre Neugierde treibt sie währenddessen an; sie fühlt sich dabei einer Forscherin auf Entdeckungsreise ähnlich. Wann das Ergebnis stimmig ist, entscheidet sie selbst. Sie versteht diesen dialogischen Prozess mit der Künstlichen Intelligenz als Werkzeug, das neue kreative Möglichkeiten eröffnet.
In einer Welt, die oft dystopisch erscheint, träumt Wurster von utopischen Szenarien, in denen sie selbst, wie die NASA, neue Planeten entdeckt. Ihre Liebe zur Science-Fiction spiegelt sich in ihren Arbeiten wider, die oft die Grenzen des weltlich Vorstellbaren abbilden.